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Senioren und Pflege

Ein aktives, selbstbestimmtes und geachtetes Leben im Alter führen, auch bei Altersdemenz oder Pflegebedarf – das ermöglichen die Mitarbeitenden des Bayerischen Roten Kreuzes im Bereich „Senioren und Pflege“ jeden Tag. Die Angebote sind vielfältig: Die Kurzzeitpflege bietet den Menschen eine kompetente und qualitativ hochwertige Betreuung auf Zeit, falls Angehörige verreisen oder krank werden. 

Die ambulante Pflege unterstützt Betroffene und ihre Angehörigen bei der Pflege in den eigenen vier Wänden und macht ein selbstbestimmtes Leben möglich. In 123 stationären Einrichtungen werden unsere Bewohnerinnen und Bewohner gepflegt und bestmöglich pflegerisch und medizinisch betreut. Doch die Pflege bedarf einer dringend notwendigen Reform, um zukünftig besser aufgestellt zu sein.

Aufwertung des Pflegeberufs

Aktuelle Situation:

Die großen Herausforderungen in der pflegerischen Versorgung werden nicht zu stemmen sein, wenn nicht eine nachhaltige Aufwertung aller Berufsbilder im pflegerischen Bereich erfolgt. Es ist zunehmend schwer, junge Menschen von einer Ausbildung in der Pflege zu überzeugen. Dabei ist das vordergründige Hemmnis nicht die Vergütung, sondern vielmehr das gesellschaftlich negativ gezeichnete Bild der Pflege.

Vorschlag:

Es ist aus unserer Sicht eine staatliche Pflicht, eine gesellschaftliche Aufwertung des Pflegeberufes durch die Schaffung eines rechtlichen Rahmens und die Finanzierung von Maßnahmen, die – neben dem Gehalt – für eine Attraktivitätssteigerung sorgen, zu erreichen. Dazu zählt auch,  die Pflege nicht mehr als teure Last, sondern als gesellschaftsstützende und menschliche Pflicht zu sehen. 

Attraktivität der Ausbildung und des Studiums steigern

Aktuelle Situation:

Sowohl die generalistische als auch die akademische Ausbildung in der Pflege waren und sind ein richtiger Schritt zur Qualitäts- und Attraktivitätssteigerung sowie zur Aufwertung der Pflegeberufe. Im Falle der generalistischen Ausbildung gibt es hingegen bundesgesetzliche Vorgaben, die sich mit der Lebensrealität der Pflege und dem bestehenden Fachkräftemangel nicht umsetzen lassen, so beispielsweise die vorgesehene praktische Anleitung durch entsprechende Praxisanleiter*innen. Das Pflegestudium erfordert eine starke finanzielle Beteiligung der Studierenden. Das Pflegestipendium des Freistaates Bayern i. H. v. 600 Euro ist nicht ausreichend. 

Vorschlag:

Die Rahmenbedingungen für die Ausbildungen in der Pflege müssen verbessert und die Finanzierung aus Finanzmitteln der Pflegeversicherung oder alternativ aus Steuermitteln muss 
gesichert werden. Darüber hinaus braucht es Maßnahmen, um mehr Praxisanleiter*innen zu gewinnen. 

Das Pflegestudium muss finanzierbar und darf nicht vom Wohlhaben der Familie abhängig sein. Dieser nicht zu unterschätzende Unattraktivitätsfaktor aus Sicht vieler junger Menschen muss abgeschafft werden. Es braucht Anreize für junge Menschen, sich für diese Berufe zu entscheiden.

Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen

Aktuelle Situation:

Die aktuellen Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse sind von hohen bürokratischen Hürden und Herausforderungen geprägt. Teilweise dauert das Verfahren mehr als ein halbes Jahr. Die Folge: Potenzielle Interessent*innen springen frühzeitig ab und stehen uns als Fachkräfte nicht mehr zur Verfügung. Darüber hinaus werden oftmals hoch qualifizierte und akademisch Ausgebildete aus dem Ausland hierzulande nur als Hilfskräfte anerkannt. Dies wird dem hohen Bedarf an Fachkräften nicht gerecht. 

Vorschlag:

Es ist richtig, dass einzig die Anwerbung ausländischer Fachkräfte nicht den hiesigen Fachkräftemangel beseitigen kann. Richtig ist aber auch, dass es sich hierbei um eine wichtige und nicht zu unterschätzende Maßnahme im Kampf gegen den Fachkräftemangel handelt. Daher ist eine Beschleunigung und Entbürokratisierung der Anerkennungsverfahren von ausländischen Berufsabschlüssen dringend notwendig. Die Verortung der behördlichen Zuständigkeit im Landesamt für Pflege ist ein erster wichtiger Schritt.

Reform der Pflegeversicherung

Aktuelle Situation:

Die bestehenden Defizite in der leistungsrechtlichen Ausgestaltung der Pflegeversicherung erfordern eine entschlossene und mutige Herangehensweise. Es ist von großer Bedeutung, dass die Leistungen flexibilisiert werden und pflegende Angehörige eine bessere Unterstützung erfahren. 

Pflegende Angehörige leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Versorgungssicherheit und tragen damit maßgeblich zur Gesellschaft bei. Allerdings führt diese aufopferungsvolle Fürsorgearbeit zu erheblichen physischen, psychischen und finanziellen Belastungen. Es ist daher von essenzieller Bedeutung, dass diese wertvolle Arbeit angemessen gewürdigt und entsprechend finanziell anerkannt wird, um den Einsatz und das Engagement der pflegenden Angehörigen zu honorieren und ihnen die nötige Unterstützung zukommen zu lassen.

Vorschlag:

Eine nachhaltige und zukunftsorientierte Reform der Pflegeversicherung. Die Finanzierung der Pflegedienstleistungen in jeder Versorgungsform muss nachhaltig sichergestellt werden. Die finanziellen Belastungen für Pflegebedürftige müssen gesenkt werden, Eigenanteile sind zu begrenzen.

Erhöhung der staatlichen Investitionskostenförderung

Aktuelle Situation:

Die perspektivisch noch größer werdende Nachfrage nach Pflegeplätzen im Freistaat Bayern macht schon heute einen Ausbau der pflegerischen Infrastruktur im Freistaat dringend notwendig. 

Vorschlag:

Daher sind Anreize zum Ausbau von Kurzzeitpflege-, Nacht- und Tagespflegeplätzen, aber auch die Unterstützung beim Ersatzneubau von Dauerpflegeeinrichtungen notwendig, um die Trägerverbände zum Ausbau zu befähigen. Dazu erforderlich ist eine Erhöhung der Mittel für die staatliche Investitionskostenförderung, siehe Förderrichtlinie „Pflege im sozialen Nahraum“.

Stabilisierung der Versorgungssituation

Aktuelle Situation:

Veränderte Rahmenbedingungen, neue Bedrohungs- und Gefährdungslagen bringen auch für Einrichtungen der Pflege als kritische Infrastrukturen neue Risiken, auf die es sich vorzubereiten gilt. Zunehmenden Gefahren infolge von Blackouts oder gezielten Cyberangriffen sind Einrichtungen der Pflege nicht gewappnet. Eine finanzielle Unterstützung für diese Einrichtungen gibt es weder seitens der Kostenträger noch seitens des Gesetzgebers.

Vorschlag:

Es ist eine staatliche Pflicht, Einrichtungen der kritischen Infrastruktur und vor allem jene, die schutzbedürftige Menschen betreuen und pflegen, durch Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz zu fördern. Daher braucht es unterstützende Maßnahmen zur Resilienzförderung der Pflegeeinrichtungen, um somit auch die Versorgungssituation zu stabilisieren und krisenfest zu machen.

Quartiersbezogene Versorgungskonzepte

Aktuelle Situation:

Die bestehenden Versorgungsmodelle sind stark institutionalisiert und sektoral stark voneinander abgegrenzt. Zudem sind diese meist nicht in den Wohnquartieren der betroffenen Menschen verfügbar. Die sektorale Abgrenzung führt zu stark einseitigen Versorgungs- und Angebotsstrukturen, die wiederum zentral an einen Geschäftssitz eines Dienstleisters gebunden sind, aber nicht dezentral in den Sozialräumen.

Vorschlag:

Unterstützung und Förderung der Versorgungsdienstleister und Kommunen zur Entwicklung von quartiersbezogenen Versorgungskonzepten mit einem Care- und Case-Management-Ansatz, auf Grundlage des Strategiepapiers „Gute Pflege. Daheim in Bayern“ des StMGP aus 2022.

Ausbau der Beratungsangebote

Aktuelle Situation:

Die bestehenden Beratungsangebote sind zu statisch und institutionsgebunden und viel zu wenig sektorenübergreifend. Es fehlt an aufsuchenden, sektorenübergreifenden und präventiven Beratungs- und Hausbesuchsangeboten, die insbesondere von den Kommunen selbst initiiert und gesteuert werden.

Vorschlag:

Entwicklung, Etablierung und Verstetigung von aufsuchenden Beratungsangeboten und paralleler Ausbau von präventiven Beratungsangeboten.

Entbürokratisierung der Pflege

Aktuelle Situation:

Die Pflege findet am Menschen statt – nicht am Schreibtisch. Deshalb ist es wichtig, dass die Pflege wieder mehr als Handwerk verstanden wird und weniger als Verwaltungstätigkeit. Wir müssen der Pflege das Vertrauen gewähren, das sie verdient. Dazu zählt eine Abbauoffensive für bürokratische Maßnahmen, die nicht zwingend erforderlich sind.

Vorschlag:

Pflegeprozesse müssen grundlegend entbürokratisiert und massive bürokratische Anforderungen und Hemmnisse (bspw. Pflegeausbildungsfonds, Tariflohnmeldungen, Beschäftigtennummer ambulante Pflege) reduziert werden. Eine derzeit hoch ausgelastete Pflege wird zunehmend – sozusagen staatlich verordnet – mit unnötigen und bürokratischen Zwängen überlastet.

Vorantreiben der Digitalisierung

Aktuelle Situation:

Die Digitalisierung hält derzeit nicht in dem Maße Einzug in die Arbeitsabläufe der professionellen Pflege, wie es notwendig und sinnvoll wäre. Das BRK erkennt die Dokumentation in der Pflege als wichtiges Modul der professions- und schichtübergreifenden Kommunikation an. Jedoch nehmen neue Möglichkeiten, wie die künstliche oder die erweiterte Intelligenz, politisch nicht die notwendige Priorität an.

Vorschlag:

Die Digitalisierung ist ein wesentlicher Bestandteil zur Entlastung der Pflegefachkräfte in ihrer täglichen Arbeit. Dabei können intelligente und praxisorientierte Systeme in täglichen Arbeitsprozessen der Pflege implementiert werden.

Dabei geht es nicht darum, die Pflegekraft obsolet zu machen – sondern sie für die eigentliche, menschennahe pflegerische Tätigkeit verfügbarer zu machen. Die Bereitstellung von Finanzmitteln für die Digitalisierung mit der Zielsetzung, Mitarbeitende in Pflegeeinrichtungen bei bürokratischen Tätigkeiten durch die Technik spürbar entlasten zu können, ist notwendig.

Einem Versorgungskollaps entgegenwirken

Aktuelle Situation:

Der demografische Wandel und die infolgedessen steigende Pflegebedürftigkeit in unserer Gesellschaft werden einen Versorgungsengpass und -kollaps bewirken, wenn hier keine nachhaltigen, schnellen und wirkungsvollen Maßnahmen eingeleitet werden. Aufgrund des immensen Kostendrucks und des Fachkräftemangels dünnt sich die Versorgungslandschaft zunehmend aus. Das vorhandene Angebot sinkt, obwohl die Nachfrage täglich größer wird. 

Vorschlag:

Es braucht Konzepte für eine zukünftige Versorgungslandschaft und -struktur im Freistaat Bayern. Dazu zählt vor allem auch ein Ausbau ambulanter Versorgungsstrukturen, um den Menschen ein möglichst langes und selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen – und um die stationären Versorgungsstrukturen zu entlasten.

Anpassung der Verordnung zur Ausführung des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes

Aktuelle Situation:

Bisher hatten bayerische Pflegeeinrichtungen die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie viel Personal sie für die Pflege und Betreuung einsetzen. Sie konnten sich an den landesweiten Referenz-Personalschlüsseln orientieren und zusätzlich Sonstige Dienste beantragen (was von 85 % der Einrichtungen umgesetzt wurde). Es war auch möglich, zusätzliche Hilfs- und Fachkräfte gemäß den Vorschriften von § 84 Abs. 9 und § 8 Abs. 6 SGB XI einzustellen. Die sogenannten „Funktionsstellen“, wie Pflegedienstleitungen und QM-Beauftragte, waren bisher im Personalplan enthalten und wurden je nach Bedarf in den Einrichtungen eingesetzt.

Durch die geplante Umsetzung von § 113c SGB XI im bayerischen Ordnungsrecht (PfleWoqG und AVPfleWoqG) wurde die Freiheit bei der Personalbemessung aufgehoben. Wenn in Zukunft alle Funktionsstellen durch die ordnungsrechtlichen Vorschriften freigestellt werden, fehlen oft 3,4 Vollzeitstellen pro 100 Bewohner*innen in der Pflege. Diese neuen Regelungen verschärfen die bisherigen Vorschriften im Ordnungsrecht erheblich und schränken die Flexibilität bei der Personaleinsatzplanung weiter ein.

Nur sehr wenige Pflegeeinrichtungen in Bayern können die Anforderungen von § 113c Abs. 1 SGB XI in Bezug auf die Pflegeassistenzkräfte erfüllen. Für eine Ausnahme müssten zusätzliche Konzepte entwickelt werden, was die bürokratischen Anforderungen in der Pflege weiter erhöht. Vor Ort entstehen zusätzliche Abhängigkeiten von den individuellen Vorgaben der jeweiligen Fachqualitätsausschüsse (FQA).

Vorschlag:

Die AV PfleWoqG sollte bald angepasst werden, um eine unbürokratische und einheitliche Fachkraftquote in Bayern festzulegen, die Vorgaben für den Nachtdienst praxisorientiert flexibler zu gestalten und die Quote für gerontopsychiatrisch weitergebildete Fachkräfte abzuschaffen. Das Ordnungsrecht sollte sich an den leistungsrechtlichen Kriterien orientieren.

Darüber hinaus sind umfangreiche Maßnahmen zur Personal- und Organisationsentwicklung in allen Pflegeeinrichtungen erforderlich, um die personellen Ressourcen in der Pflege und Betreuung zukünftig flexibler einzusetzen und stärker auf Qualifikationen und Kompetenzen zu fokussieren. Die Umsetzung wird tiefgreifende Veränderungen in den Einrichtungen mit sich bringen. Es wäre wünschenswert, dass die Einrichtungen miteinander vernetzt sind, um Synergieeffekte zu nutzen.