Jahresbilanz: 200.000 ehrenamtliche Mitglieder im BRK

Das Bayerische Rote Kreuz blickt auf ein ereignisreiches Jahr zurück. „Das vergangene Jahr war in vielerlei Hinsicht ein forderndes“, resümiert BRK-Präsidentin Angelika Schorer.

Krieg in der Ukraine

Am 24. Februar des vergangenen Jahres wurde die gesamte Welt mit dem schrecklichen Angriffskrieg auf die Ukraine konfrontiert und seither prägt uns die Fassungslosigkeit, stellt BRK-Präsidentin Angelika Schorer fest.

Auch das Bayerische Rote Kreuz unterstützte im Auftrag des Internationalen Komitees der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung (IKRK) vor Ort in der Ukraine die humanitäre Hilfe. Hierzu entsendete das Bayerische Rote Kreuz gemeinsam mit dem DRK Landesverband Baden-Württemberg im März 2022 ehrenamtliche Einsatzkräfte mitsamt fünf Lkws nach Ungarn, um eine Versorgungslinie in die Ukraine zu errichten und dringend benötigte Hilfslieferungen an die vom Konflikt betroffenen Menschen zu ermöglichen.

Es folgten weitere Einheiten, die das Bayerische Rote Kreuz im Auftrag des IKRK in die Ukraine schickte. Insgesamt waren bis zum Jahresende 30 Einsatzkräfte des BRK ehrenamtlich und im Rahmen der humanitären Hilfe in der Ukraine im Einsatz gewesen. Weitere 172 BRK-Einsatzkräfte kamen innerhalb Deutschlands  im Rahmen von Zugbegleitungen von Cottbus und später Frankfurt (Oder) an der deutsch-polnischen Grenze nach Hannover zum Einsatz. In Frankfurt (Oder) wurden ankommende geflüchtete Personen erstversorgt und mit Sonderzügen weiter nach Hannover verlegt. Hierbei unterstützte das Bayerische Rote Kreuz im Auftrag des Deutschen Roten Kreuzes die sanitätsdienstliche Betreuung der geflüchteten Personen in den Zügen.

Zudem wurden im Freistaat Bayern Notunterkünfte errichtet, in denen wir geflüchteten Menschen eine erste Anlaufstelle bieten konnten. Mehr als 140 Unterkünfte zur Betreuung geflüchteter Menschen hat das Bayerische Rote Kreuz flächendeckend im gesamten Freistaat eröffnet und betrieben. In diesen Unterkünften wurden Kapazitäten zur Betreuung von gleichzeitig bis zu 25.000 Menschen vorgehalten.

Stationäre und ambulante Pflege

In mehr als 125 Pflegeeinrichtungen hat das Bayerische Rote Kreuz im vergangenen Jahr rund 11.000 Menschen gepflegt. Aufgrund der Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie (Belegungsstopps, Personalausfälle und -knappheit) konnten 12 Prozent der Pflegeplätze nicht besetzt werden. Im Vorjahr 2021 war dies ähnlich.

Die 120 ambulanten Pflegedienste des BRK sicherten die ambulante Pflege von rund 20.000 pflegebedürftigen Menschen.  

„Der gesamte Bereich der Pflege hat ein weiteres Jahr in Folge Großartiges geleistet und eine beispiellose Flexibilität bewiesen – trotz aller Widrigkeiten und des allgegenwärtigen Fachkräftemangels“, so BRK-Präsidentin Angelika Schorer. „Die Mitarbeitenden in der Pflege sind daher echte Macherinnen und Macher, die anpacken und im Sinne der ihnen anvertrauten Menschen das Menschenmöglichste leisten. Hierfür gilt ihnen Dank – vor allem aber das bedingungslose Versprechen, dass echte Verbesserungen auf den Weg gebracht und Lösungen für die drängendsten Probleme gefunden werden.“

Die Belastung in der Pflege ist in den vergangenen Jahren auf ein sehr hohes Niveau angestiegen und stagniert dort. Durch die Coronavirus-Pandemie und andere Infektionswellen wurde die Situation zusätzlich verschärft.

Es ist der BRK-Präsidentin zufolge notwendig, dass nun ein ganzes Paket an Maßnahmen umgesetzt wird, um dieser Situation Abhilfe zu leisten. Dabei stehen notwendige Entbürokratisierungsmaßnahmen an erster Stelle: „Massive bürokratische Tätigkeiten  zählen zu den größten Hemmnissen der Pflege. Pflege ist kein Verwaltungsjob – sondern ein Handwerk, das von menschlicher Zuneigung und Professionalität lebt.“

Zusätzlich ist es notwendig, dass ein flächendeckender Ausbau von ambulanten Pflegediensten, Tages- und Kurzzeitpflegen vorangetrieben wird. „Durch den Ausbau ambulanter Angebote wird die Pflege in die Lebensrealität und den Alltag der pflegebedürftigen Menschen besser und länger integriert. Dadurch wird ein selbstbestimmtes Leben im eigenen und vertrauten Umfeld ermöglicht. In diesem Sinne sollte die ambulante Pflege in Zukunft größte Priotät genießen und die Überführung in die stationäre Pflege nur noch in den Fällen erfolgen, in denen sie notwendig ist“, so Schorer.

Darüber hinaus ist eine Reform der Pflegeversicherung dringend notwendig. „Pflegekosten werden zunehmend unbezahlbar für Seniorinnen und Senioren. Umso wichtiger ist daher, dass Eigenanteile begrenzt und die Kosten für Pflegebedürftige gesenkt werden“, so Schorer weiter.

Kindertageseinrichtungen und Schulkindbetreuung

Das Bayerische Rote Kreuz hat im vergangenen Jahr 333 Einrichtungen der Kindertages- und Schulkindbetreuung betrieben. In diesen Einrichtungen beschäftigte das Bayerische Rote Kreuz rund 3000 Mitarbeitende (11 Prozent mehr pädagogische Mitarbeitende als in 2021), wovon 2210 pädagogische Fach- oder Ergänzungskräfte sind.

In diesen Einrichtungen wurden rund 19.500 Kinder betreut. Verglichen mit dem Jahr 2020 haben sich in 2022 die Zahl der betreuten Kinder um rund 43 Prozent und die Anzahl der Einrichtungen um rund 56 Prozent erhöht.

„Der Bedarf an Einrichtungen zur Schulkind- und Kinderbetreuung steigt stetig an. Dieser Entwicklung passt sich auch das Bayerische Rote Kreuz an und baut sein Angebot intensiv aus“, so BRK-Präsidentin Angelika Schorer. „Kinder sind die Zukunft unserer Gesellschaft. Ihnen einen Ort der Bildung, des Heranwachsens und der Freude bieten zu dürfen, ist eine besonders erfüllende Aufgabe, der wir uns als Rotes Kreuz sehr gerne annehmen.“

Auch in diesem Bereich sieht BRK-Präsidentin Angelika Schorer die Gesellschaft mit großen Herausforderungen konfrontiert: „Eltern müssen immer länger auf einen Betreuungsplatz für ihre Kinder warten.“ Sie warnt: „Ein Kita-Platz darf nicht zu einem Luxusgut mutieren. Kinderbetreuung ist bedeutsam für die soziale Gerechtigkeit, aber auch für Geschlechtergerechtigkeit und für den wirtschaftlichen Anspruch eines Staates. Deshalb ist es wichtig, dass der Fachkräftemangel im sozialen Sektor ernstgenommen und ihm mit entschiedenen Maßnahmen entgegengewirkt wird.“

Rettungsdienst und Integrierte Leitstellen

Das Bayerische Rote Kreuz betreibt rund 80 Prozent des öffentlich-rechtlichen Rettungsdienstes im Freistaat Bayern. Dabei wurden unsere Rettungskräfte in 2022 erstmalig zu mehr als 2 Millionen Einsätzen (2,025 Mio.) alarmiert. Während der Rettungsdienst im Jahr 2020 aufgrund kontakteinschränkender Maßnahmen einen spürbaren Rückgang der Einsatzzahlen (-6 Prozent) erlebte, sind diese seither jährlich um jeweils 7 Prozent auf 2,025 Millionen Einsätze im Jahr 2022 angestiegen.

Ein deutliches Plus von 35.440 Einsätzen (+25,42 % von 2021 zu 2022) zeigt sich bei Einsätzen, bei denen eine Hilfeleistung, aber kein Patiententransport stattgefunden hat. Das sind überwiegend Einsätze, bei denen das Rettungsdienstpersonal keine Transportindikation in ein Krankenhaus feststellt (z. B. kleinere Schnittverletzungen, Prellungen), der/die Patient*in an den/die Hausarzt/Hausärztin/KVB verwiesen wird oder einen Transport in ein Krankenhaus ablehnt. Zudem stieg der Anteil der Einsätze, bei denen das Einsatzmittel während der Anfahrt abbestellt wurde oder vor Ort kein Patient auffindbar war, um 13 Prozent.

Die Krankentransport-, Intensivtransport-, Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeuge des Bayerischen Roten Kreuzes legten im vergangenen Jahr rund 62 Millionen Kilometer zurück und fuhren dabei umgerechnet rund 1550 Mal um die Erde.

„Die steigende Belastung des Rettungsdienstes ist alarmierend. Immer mehr Menschen wählen den Notruf 112, weil andere Versorgungsstrukturen nicht verfügbar sind. Der Rettungsdienst agiert dabei oft als letztes Glied in der Kette der gesundheitlichen Versorgung im Freistaat Bayern“, so Präsidentin Angelika Schorer und mahnt: „Der Rettungswagen ist kein Taxi mit Blaulicht.“

Eine wichtige Gegenmaßnahme ist aus Sicht des Bayerischen Roten Kreuzes, ambulante Versorgungsstrukturen weiter auszubauen und verfügbarer zu machen. „Vor allem aber braucht es mehr Aufklärung, wofür der Rettungsdienst da ist – und wofür andere Versorgungsstrukturen die richtigen Anlaufstellen sind“, betont Schorer.

Personalengpässe aufgrund von Isolationsauflagen und Krankheit machten im Jahr 2022 auch vor dem Rettungsdienst keinen Halt. Rettungskräfte mussten trotz regulär freier Tage immer häufiger einspringen, um den Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten und beispielsweise das Ausfallen eines Rettungswagens zu verhindern. Dabei nimmt BRK-Präsidentin Angelika Schorer auch die Kostenträger in die Pflicht: „Wir könnten viel mehr junge Menschen ausbilden, als derzeit von den Kostenträgern finanziert werden. Die Berufe im Rettungsdienst sind hoch nachgefragt und sehr attraktiv. Mit mehr Fachkräften und insbesondere Notfallsanitäterinnen und -sanitätern sinkt die Belastung für jeden einzelnen Mitarbeitenden und es steigt die Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf.“

In den acht Integrierten Leitstellen des Bayerischen Roten Kreuzes (Bayreuth, Coburg, Donau-Iller, Hochfranken, Mittelfranken-Süd, Oberland, Schweinfurt und Straubing) wurden im Jahr 2022 mehr als 1,031 Millionen Notrufe und sonstige Anrufe entgegengenommen, die in rund 680.000 Einsätzen mündeten. „Auch hier bestätigt sich der stetige Anstieg der rettungsdienstlichen Beanspruchung im Freistaat Bayern“, betont Schorer. „Während beispielsweise die Einsatzzahlen der Feuerwehr einem langjährigen Mittelwert entsprechen und lediglich durch regionale unwetterbedingte Einsätze beeinflusst werden, setzt sich der Trend der stark zunehmenden Beanspruchung im Rettungsdienst ungehalten fort.“

Als erfreulich bezeichnet BRK-Präsidentin Angelika Schorer hingegen den Rückgang an Aggressionsereignissen im Rettungsdienst, also Fällen, in denen Rettungskräfte Gewalt oder sonstige Aggressionen erfahren. Gemäß einer internen Erhebung kam es im vergangenen Jahr zu 55 dokumentierten Ereignissen dieser Art, im Jahr 2018 waren es noch 99 Fälle. Wobei Schorer klarstellt: „Die Dunkelziffer ist gewiss höher, viele Fälle werden von unseren Mitarbeitenden erst gar nicht gemeldet, weil hingenommen wird, dass verbale und auch tätliche Gewalt seit Jahren zum Alltag des Rettungsdienstes gehören. Das ist eine falsche Entwicklung, die es aufzuhalten gilt.“

Die Erhebung zeigt: „Gewaltereignisse gehen in den allermeisten Fällen von männlichen Patienten im Alter von 18 bis 39 Jahren aus, die sich unter dem Einfluss von Alkohol, Medikamenten oder sonstigen Drogen befinden.“

BRK-Präsidentin Angelika Schorer erinnert sich an einen dramatischen Vorfall Anfang letzten Jahres: „Nach mehrminütiger Behandlung ging ein 19-jähriger Notfallpatient mit einer Machete auf zwei Rettungskräfte los. Sie haben die Wohnung fluchtartig verlassen und damit Schlimmeres verhindert.“ Ein Vorfall dieser Dramatik ereignete sich im Jahr 2022 nicht erneut.

Dennoch betont Schorer: „Jeder Fall ist einer zu viel. Es gilt: Nulltoleranz bei Gewalt gegen Rettungskräfte. Wir brauchen mehr Respekt und Anerkennung für das, was diese Menschen tagtäglich leisten.“

In der Pandemie entwickelte sich eine neue, sehr positive Wertschätzungskultur gegenüber Gesundheitspersonal, erinnert sich Schorer. „Menschen standen auf den Balkonen und jubelten den Menschen im Gesundheitswesen zu. Andere brachten Geschenkkörbe auf die Rettungswachen oder klemmten Dankesbotschaften unter die Fensterwischer des Rettungswagens.“

Hausnotruf

Der BRK-Hausnotruf feierte im vergangenen Jahr das 40-jährige Bestehen. Mehr als 62.000 Hausnotruf-Anschlüsse hat das Bayerische Rote Kreuz im Jahr 2022 verwaltet. Dabei wird ein Notrufsender von der zu betreuenden Person am Arm oder als Halskette getragen. Im Notfall muss nur der Notrufknopf gedrückt werden, um eine Sprechverbindung mit der Hausnotruf-Zentrale herzustellen. Mit diesem einfachen, aber im Ernstfall lebensrettenden System kann schnelle Hilfe mobilisiert werden. „Der Hausnotruf bietet Sicherheit in den eigenen vier Wänden und ermöglicht es lange Zuhause zu wohnen“, so Angelika Schorer. Weitere Informationen zum BRK-Hausnotruf auf www.hausnotruf.bayern

Ausbildung beim BRK

Im vergangenen Jahr zählte das Bayerische Rote Kreuz in seinen Reihen mehr als 2500 Auszubildende in über 25 Ausbildungsberufen. Ein Großteil dieser Auszubildenden befindet sich in einer Ausbildung im Bereich der Pflege (rd. 1430) und im Rettungsdienst (rd. 800). Nachdem in den zwei Pandemiejahren 2020 und 2021 die Anzahl der Auszubildenden gestiegen war, ist diese im Jahr 2022 wieder auf das Niveau vor der Pandemie zurückgegangen.

Freiwilligendienste

Mehr als 1445 junge Menschen haben sich im vergangenen Jahr im Rahmen eines Bundesfreiwilligendienstes (BFD) oder Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) im Bayerischen Roten Kreuz und damit in die Gesellschaft eingebracht. „Junge Menschen bringen sich gerne, aus Überzeugung und ganz bewusst im Bayerischen Roten Kreuz ein“, so Angelika Schorer und fordert: „Freiwilligendienste müssen weiter ausgebaut und attraktiver werden. Sie sind ein wertvoller Kontaktpunkt für junge Menschen, um mit den wunderbaren sozialen Berufen in Berührung zu kommen und sich von ihnen überzeugen zu lassen.“

Mitgliederzahlen

Einen besonders großen Zuwachs an neuen ehrenamtlichen Mitgliedern erlebte das Bayerische Rote Kreuz im vergangenen Jahr. Insgesamt 13.000 Menschen traten dem BRK bei und bringen sich ehrenamtlich ein. „Diese Menschen machen mehr, als es ihre Pflicht wäre, und bringen sich in unsere Gesellschaft gewinnbringend ein“, so Schorer. „Ein Ehrenamt erfüllt und gibt einem mehr zurück, als man vielleicht anfangs glauben mag. Ob als Einsatzkraft bei Sanitätsdiensten, zur Unterstützung bei Blutspendeterminen, bei Besuchsdiensten in Pflegeheimen oder auch als Präsidentin – das Ehrenamt ist viel mehr als Arbeit.“

Das Bayerische Rote Kreuz zählt erstmalig mehr als 200.000 ehrenamtliche Mitglieder in seinen Reihen. „Das ist eine beeindruckende Zahl und sie belegt: Immer mehr Menschen sind bereit, sich ehrenamtlich einzubringen“, so Schorer.

Trotz des Zuwachses ruft Schorer weiter zum Engagement im BRK auf: „Wir brauchen jede helfende Hand für unsere wichtigen und vielfältigen Aufgaben. Informieren Sie sich und suchen Sie sich das Ehrenamt aus, das am besten zu Ihnen passt.“ Informationen zu den verschiedenen Möglichkeiten des ehrenamtlichen Engagements im BRK sind auf www.brk.de/ehrenamt zu finden.

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