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#blickinszentrum: "Uns fehlt eine klare Aussage, wie es nach dem 30. September weitergeht"

Wie geht es eigentlich unseren Kolleg*innen in den Impfzentren? Andrea Hainzinger leitet die Impfzentren Pfaffenhofen und Geisenfeld – wir haben mit ihr über fehlenden Impfstoff, fehlende Perspektiven und die Kämpfermentalität ihres Teams gesprochen.

Andrea, wie geht's dir als Leiterin des Impfzentrums Pfaffenhofen gerade, mit welchen Themen beschäftigst du dich aktuell? Von Anfang an begleitet mich das Thema fehlender Impfstoff. Ein akutes Thema ist natürlich die Verlängerung der Impfzentren mit Kostenübernahme nach dem 30. September. Die ersten Mitarbeiter*innen haben sich bereits umorientiert, weil wir ihnen keine Perspektive bieten können. Sie müssen natürlich auch ihre Mieten bezahlen. Das ist für uns ein großes Problem. Vergangene Woche sagte unser Gesundheitsminister, dass die Impfzentren sehr wohl weitergeführt werden sollen - aber du weißt wahrscheinlich nicht, in welcher Form das passiert? Es wurde davon gesprochen, die Kapazitäten zu reduzieren, um sie später wieder hochzufahren, wir haben aber absolut noch keine Informationen bekommen. Ich weiß nicht, wie wir ein solches Vorgehen umsetzen sollen. Ich kann das Personal nicht verabschieden und nach einer Woche sagen, dass ich sie wieder brauche. Nochmal kurz zurück zum Impfstoff: Seit wann kämpft ihr mit der Impfstoffknappheit? Im Prinzip hatten wir von Anfang an Impfstoffknappheit. Einen Einbruch haben wir definitiv erlebt, als die Hausärzte und dann auch die Betriebsärzte mitimpfen konnten. Nach außen wurde vermittelt, dass sich dadurch die Kapazitäten erhöhen. Letztendlich wurde aber bei uns der Impfstoff dafür abgezogen, wir sitzen weiterhin auf dem Trockenen und haben unser Personal zeitweise in den Zwangsurlaub geschickt. Wir haben zwei Impfzentren im Landkreis - in Geisenfeld und in Pfaffenhofen. Nur mit einer Schicht ist es für uns möglich, in jedem Impfzentrum 500 Impfungen täglich durchzuführen, da sprechen wir noch nicht einmal von einem Zwei-Schicht-System. Wir haben aktuell oft unter 100 Impfungen pro Impfzentrum, einfach weil der Impfstoff fehlt. Wenn sich die Politik dann fragt, warum die Impfzentren so teuer sind, stimmt für mich die Fragestellung einfach nicht. Wir haben hier Impfzentren ohne vollen Durchlauf, das ist natürlich teuer. Ohne Impfstoff können wir nicht impfen. Wie ist die Stimmung in deinem Team, gibt es da schon großen Frust? Es ist wirklich demotivierend für die Mitarbeiter*innen. Es fehlt das Gefühl zum Feierabend, dass viel passiert ist und man vielen Menschen geholfen hat. Es hat uns große Freude gemacht, wenn Menschen glücklich aus unserem Impfzentrum gegangen sind, ihre Enkel endlich wieder sehen und Anschluss an die Gesellschaft haben können. Aber aktuell laufen die Impfungen tröpfchenweise. Dazwischen wird geputzt, Material überprüft - aber diese Aufgaben halten nicht den ganzen Tag. Was wünschst du dir konkret von der Politik außer natürlich Impfstoff? Eine klare Aussage, wie es nach dem 30. September weitergeht. Ob wir weiter bestehen bleiben, das Personal weiter beschäftigen können.  Jeder spricht von potenziellen Drittimpfungen oder Nachimpfungen, von der Delta-Variante. Es steht aktuell noch so viel in den Sternen. Aktuell habe ich das Gefühl, die Politik ruht sich auf der Inzidenz aus. Impfstoffplanung ist von Anfang an ein Riesenthema. Ich kann unsere Mitarbeiter-Einsatzpläne nur von Woche zu Woche schreiben, weil ich nicht weiß, wieviel Impfstoff ich nächste Woche erhalte. An dieser Stelle muss ich mich auch von Herzen bei den Mitarbeiter:innen bedanken, dass sie da überhaupt mitspielen. Wie reagieren die Bürger:innen auf die aktuelle Situation? Wir haben bei uns in Pfaffenhofen einen Callcenter eingerichtet. Bevor die Inzidenz gefallen ist, ist unsere Hotline übergelaufen vor Beschwerden. Das landet leider bei uns und nicht an der richtigen Stelle, bei der Regierung. Menschen haben nicht verstanden, warum sie mit Vorerkrankungen seit Januar keinen Termin bekommen, der Nachbarsjunge mit 18 Jahren im Betrieb geimpft wurde - ohne Vorerkrankungen. Das löst in der Bevölkerung großen Unmut aus, und das können wir auch nachvollziehen. Wir versuchen, Verständnis zu zeigen, aber auch unsere Mitarbeiter*innen haben bald kein Verständnis mehr für die Entscheidungen der Regierung. Welche Frage hört ihr aktuell am häufigsten? Die häufigste Frage ist: "Wann bekomme ich endlich einen Impftermin?" Mit fallender Inzidenz und Öffnungen für Geimpfte ist das natürlich extremer geworden. Oft hören wir auch die Frage: "Wie komme ich an meinen digitalen Impfpass?" Von den Mitarbeiter*innen: "Wie geht es weiter, kann ich hier bleiben?" Wie geht's dir selbst in der täglichen Arbeit aktuell? Am Anfang hatte ich Verständnis, es gab keine Blaupause für die Pandemie oder für Impfzentren. Mittlerweile verstehe ich manche Aktionen und die Unplanbarkeit nicht mehr. Wir erfahren neue Entscheidungen aus der Presse und haben an der Basis noch keinerlei Handwerkszeug erhalten, wie wir damit umgehen sollen. Das ist auch für uns sehr anstrengend. Aber: Wir haben gezeigt, was wir als BRK auf die Beine stellen können, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Wenn meine Mitarbeiter*innen nicht so mitgezogen hätten, Überstunden gemacht hätten, Vorschläge eingebracht hätten, wenn wir uns nicht mit anderen Impfzentren ausgetauscht hätten, wäre es für uns alle nicht machbar gewesen.
Mehr Infos über das Impfzentrum Paffenhofen findet Ihr übrigens auf www.impfzentrum-pfaffenhofen.de oder auf der Website des BRK KV Pfaffenhofen.